Kurz nach ihrem Grenzübertritt trifft die Vechte auf den Coevorden-Vecht-Kanaal und bildet mit ihm eine interessante Wasserstraßenkreuzung: Mit Hilfe der beiden Schleusenanlagen bei De Haandrik durchfließt ein natürliches Gewässer eine künstliche Wasserstraße, während mehrere Brücken deren Überquerung ermöglichen. Für das Trennende und Verbindende sind Brücken zu einem universellen Symbol geworden und gerade in Holland faszinieren sie den Reisenden durch ihre vielfältigen Erscheinungsformen als Zug-, Schwenk- oder starre Brücken. Ebenso typisch für diese Region ist Backstein als Baumaterial. Simone Bertis »Bridge of Bricks« greift diese Bezugspunkte nicht ganz ohne Ironie auf, wenn er seine mit Ziegelimitat überzogene Brücke wie eine Art Denkmal aufstellt. Aufgebockt auf Stelzen soll sie ohne jede Funktion in einem Vechte-Altarm stehen, wo sie weder etwas überqueren noch etwas verbinden muss. Sie ist eher ein Modell, ein Anschauungsobjekt: nicht benutzbar, fast abstrakt und die Oberflächen nur eine Illusion. Und doch ist sie ein für alle lesbares, weil vertrautes Zeichen der Verbindung.
Simone Berti wurde 1966 in Italien geboren und beschäftigt sich als Skulpturenkünstler viel mit dem Widerspruch zwischen der Schwere des Materials und der Leichtigkeit einer Idee. Gerne fordert er die Gegensätze heraus, verbindet Malerei, Skulptur, Film und Computertechnologie zu übermütigen Projekten mit viel Hintersinn. Auch das Herauslösen einer Brücke aus ihrem normalen Zusammenhang im Verkehrsalltag ist so eine absurde Idee. Die Aufstellung mitten im Wasser eines idyllischen Vechte-Altarms lenkt das Augenmerk auf die Besonderheiten einer Region und ihre typischen Architekturelemente. Eine Brücke als Idee einer Brücke stellt sich gegen die Schwerkraft ihrer gebauten Vorbilder und hebt sich mit neuer Leichtigkeit aus den Verankerungen der ihr zugewiesenen Funktion.
warum ist »bridge of bricks« nicht zu sehen?
Das Schicksal von Simone Bertis »Bridge of Bricks« ist auch die Geschichte einer Diskussion zwischen Künstler, öffentlichen Einrichtungen und örtlichen Bewohnern. Hier stoßen Interessen aufeinander, die sich manchmal in produktiver Weise ergänzen, manchmal aber auch unvermittelt einander gegenüber stehen. Nachdem die in einem Vechte-Altarm stehende Brücke alle statischen, wasser- und baurechtlichen Prüfungen erfolgreich bestanden hatte, traf sie relativ unerwartet auf Bedenken von Anwohnern und Naturschutzverbänden. Erstaunlicherweise ging es jedoch bei diesen Diskussionen weniger um die Kunst. Viel mehr fürchtete man eine Störung des idyllischen Landschafstbildes. Die zu erwartenden Besucher sah man als Gefahr für das ökologische Gleichgewicht. Kunst, Natur und dazwischen der Mensch – können sie sich gegenseitig bereichern oder stellen sie eher einen Widerspruch dar? Man hätte im Fall von Simone Berti die Frage auch rechtlich klären lassen können. Aber das wäre nicht nur ein langwieriger Prozess geworden, sondern es hätte auch Fronten geschaffen, die kunstwegen lieber überwinden will. Kunst, die sich als Angebot zur Erweiterung des Horizonts und nicht als belehrend sieht, sollte möglichst in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess realisiert werden; sicherlich nicht immer mit jedermanns Zustimmung, aber doch mit einem öffentlichen Auftrag. Aufgrund dieser Überlegungen wurde schließlich auf die Installation von Bertis wunderbarer Skulptur verzichtet. Es blieb aber die Idee, Simone Bertis »Bridge of Bricks« wenigstens als einen Gedanken an diesen Ort zu bringen. Das Hamburger »büro für mitteilungen« und »UNZEITIG Industrial Design« entwickelten dafür schließlich diese Installation. – Die Brücke auf Stelzen mitten im Wasser wird immer eine Idee bleiben, doch die Menschen, die sich hier eine Münze zur Erinnerung prägen, haben diese Idee zumindest in ihrer Vorstellung Realität werden lassen.